
Bild: Die erste Erwähnung der Bruchmeister: Stadtverfassung im Bürgerbuch (Liber Burgensium, auch rotes Buch genannt) von 1303
Das wird jetzt zwar etwas komplizierter, aber dieser Ausflug in die Geschichte Hannovers lohnt sich. Wir versuchen das mal so einfach wie möglich darzustellen:
Von je her ist das gemeinschaftliche Leben von Regeln, Bestimmungen und Verboten umgeben. Damit diese Regeln, Bestimmungen und Verbote auch eingehalten wurden, wurden damals wie heute besondere Personengruppen eingesetzt.
Als „städtische Beamte“ sind die im Jahre 1303 erwähnten Ordnungsherren: „Magistris Discipline“, die für Aufrechterhaltung der Ordnung z.B. bei Festlichkeiten zu sorgen hatten, verzeichnet. Verstieß jemand gegen die Ordnung, so hatten die dieses zu rügen. War sein Benehmen gar zu anstößig, so konnten sie seine Entfernung aus der Stadt veranlassen, und er durfte erst zurückkehren, wenn sie ihn zurückriefen. Sie wachten also über die Einhaltung von erlassenen Ordnungen und ahndeten deren Bruch. Sie sind im ersten Bürgerbuch der Stadt Hannover erwähnt. Gysecone de Lubeke, Hermano de Rintelen, Ludolfo Luceken und Henrico Seldenbut sind also die ersten Bruchmeister der Stadt Hannover.
Leider lassen sich die Ordnungsherren nicht nahtlos zu den Brokeheren (Plattdeutsch für Bruchherren) überleiten, da wir noch keine schriftlichen Aufzeichnungen hierüber gefunden haben. Wir könnten jedoch davonausgehen, das es die Vorläufer der heutigen Bruchmeister sind, da es mit den gleichen Vorbedingungen besetzt ist. Auch finden wir in den Kämmereiregistern immer wieder Einträge über die Einnahme „van Broke“ (von Brüchen).
Die Erwähnung von Brokeheren (in den Aufzeichnungen tatsächlich nur mit einem „r“ geschrieben) im Jahr 1518 ist die nächste schriftliche Aufzeichnung. Dort werden sie im Stadtbediensteten – Register geführt.
1526 vereinnahme Brokeherr Bernd Live 144 Pfund und 7 Schilling an Strafgeldern. Nur acht Jahre später liefert Brokeherr Johann Fyningh die stolze Summe von 630½ Pfund an Bruchgeldern bei der Stadt ab.
Die Brokeherren/Bruchherren gehören zu der angesehensten Gruppe der städt. Ämter. Der Historiker Siegfried Müller hatte schon einmal die persönlichen Werdegänge der Brokeherren oder Bruchherren verfolgt. Nur hochgestellte oder einflußreiche Persönlichkeiten der Stadt bekleideten dieses Amt.
Seit 1303 wurden die Bruchherren eingesetzt um Strafen für den Rat der Stadt einzukassieren, z.B. bei Bruch der Kleider-, Hochzeits- oder Eheordnung o.ä. Leider finden wir keinerlei Hinweise auf einen Einsatz beim Schützenfest, bzw. städt. Schießen.
Leider haben wir auch noch keine definitiven Unterlagen, wann die Bruchherren zu Bruchmeistern wurden gefunden. Die Erwähnung der „Bruchmeister“ in einer Chronik von der Übergabe der Schützenrechnung im Jahre 1659 verzeichnet das Wort „Brüchemeister“. Dieser Bericht ist aber erst 1884 geschrieben, also 225 Jahre später. Wir dürfen also nicht davon ausgehen, daß die Brüchemeister tatsächlich Bruchmeister waren, sondern evt. die Brücheherren sind. Leider ist die Verfügung nicht erhalten, wir können das also nicht mehr in den Originaldokumenten nachlesen.
Fest steht aber, daß in einem Schreiben aus dem Jahre 1659 des „Collegiums der Brücheherren“ an den Rat der Stadt, sich die Bruchherren über die Wacheherren (gleiche Aufgabe wie die Bruchherren – jedoch nur auf den Wällen und an den Stadttoren) beschweren, da sie – die Wacheherren – an Orten Strafgelder kassieren, die außerhalb ihrer Zuständigkeit liegen. Diese Zuständigkeiten sowie Gerichtsbarkeiten ist vom Rat und den Bruchmeistern sowie Wacheherren zwei Jahre zuvor festgelegt worden.
Im Jahre 1656 finden wir die erste schriftliche Aufzeichnung über die Wahl der Brokeherren sowie deren Dienstanweisung. Dies ist wohl notwendig geworden „aufgrund der neuen revidierten Polizeiordnung“. Hier ist weiterhin aufgeführt, daß die Brokeherren für dieses Jahr der Ratsherr Laurentium Walkenhaar, der Kaufmann Cornet Herbst, aus der Gemeinheit Hermann Gerberding und aus den Ämtern [Anm. Innungen] Henricum [Heinrich] Niebuhr sind. Die Bürger haben sich gegenüber den Brokeherren „gebührlich, respektieren und achtend“ verhalten. Die Brokeherren haben über die ausgesprochenen Strafen Diskretion bewaren.
Seit 1671 sind die Brücheherren im Verzeichnis als „Brüche- und Taxtherren“ geführt (Taxt für Steuer – vermutlich also Steuerschätzer und -eintreiber). Ab 1679 wird im Stadtbedienstetenregister nur noch das Amt der Taxtherren erwähnt. Nach einer Anordnung des Landesherrn wurden die städt. Ehrenämter ab 1697 nicht mit neuen Herren besetzt (die alten Herren blieben im Amt), da die neue Stadtverfassung diese Ehrenämter durch bezahlte Bedienstete ersetzt.
Wir gehen somit davon aus, das Ehrenamt des Bruchherren 1699 mit der neuen Stadtverordnung abgeschafft worden sein könnte, zu einer Zeit, als der Stadt Hannover vom welfischen Landesherren alle Rechte genommen waren.
In einem „Eidebuch“, in dem die Amtseide verschiedener Ämter aufgezeichnet sind, finden sich zwei Amtseide für Bruchherren:
Ein Amtseid datierend aus dem Jahre 1631 sowie ein früherer Eid, ohne Datum, vermutlich aber um 1600. Der Amtseid der „Brokehern“ lautet wie folgt:
„Dat wy duth Jahr der Stadt tho gude Broke Hern sin willen, und in dem Ambt vlietich befunden werden, Broke (xxxx*) und alleß aller unvorwietlik gebohr ahne Ansehen der Person infordern. So als uns Gott helpe“
Zur Übersetzung:
Das wir dieses Jahr der Stadt zu Gute Bruchmeister sein wollen, und in diesem Amt fleißig befunden werden, Strafe (xxxx*) und alles aller unvorweislichen Gebühr ohne Ansehen der Person einfordern. So helfe uns Gott.
* Das Wort (xxxx) kann man leider heute nicht mehr entziffern da mehrfach durchgestrichen und dann wieder unterstrichen [vermutlich handelt es sich um das Wort „tynse“ = Zinsen – würde dem allgemeinen Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang entsprechen].
Im Jahr 1659 waren die Bruchmeister Gäste beim Festmahl anläßlich des Schützenfestes. Es findet sich eine Eintragung in der Abrechnung der entsprechenden Kosten. Wie sich die Verbindung der städt. Bruchmeister zum Schützenwesen dann entwickelt hat, muß noch erforscht werden. Jedoch mit der städtischen Schützenordnung von 1710, taucht das Amt des Bruchmeisters in der Stadt Hannover wieder auf. Die Schützenordnung sagt, daß die Schaffer „…befehligt seyn, zweene Brüchemeisters zu erwehlen, welcher Wahl sich niemand von unserer Bürgerschaft bey Vermeidung 5 Thaler Straffe wiedersetzten, noch das Ambt anzunehmen sich in einige Masse verweigern soll“. (siehe auch Bruchmeister im Schützenwesen)
Dem städtischen Schießen ging der große hannoversche Schützenausmarsch voran, an dem sich ebenfalls die hannöverschen Bürger beteiligen mußten. Dies war die Voraussetzung um überhaupt am „Freyschießen“ teilnehmen zu können. Die Bruchmeister hatten dies zu überwachen. Wer nicht mitmarschierte und trotzdem teilnehmen wollte, mußte eine Strafe von 1 Taler in die „Bruchkasse“ zahlen.
Das dieser Job anstrengend ist, hat man schon damals erkannt und bestimmte, daß die Bruchmeister ledig sein müssen, von gutem Charakter und Leumund und natürlich unbescholten. Nur wenn kein „Familienanhang“ den Dienst behindert, können die Strapazen des Amtes gemeistert werden…..
Seit dem Jahr 1825 tragen die Bruchmeister auch die Städtischen Standarten (damals noch Fahnen) den 4 Zügen des Ausmarsches voran.
Im Jahre 1905 wurde die Kleiderordnung der Bruchmeister festgelegt. Seit dieser Zeit haben die Bruchmeister einen schwarzen Cut sowie einen schwarzen Zylinder mit dem Kleeblatt zu tragen. Eine Ordnung die bis in die heutige Zeit Bestand hat.